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Bildung in der digitalen Welt

Medienkompetenz wurde als ein Lernbereich aufgefasst, der zusätzlich zu anderen Kompetenzen zu erwerben ist. Die Digitalisierung durchdringt jedoch unsere Lebenswelt, sie kommt nicht mehr nur additiv zu bisherigen Handlungspraktiken oder Kulturtechniken hinzu. Es gibt allerdings keine “digitale Bildung”, da es auch keine “analoge Bildung” gibt. Im Kern geht es um Bildung – in einer sich verändernden Welt.Michael Kerres

(Kompetenzen für) Bildung in der digitalen Welt

Michael Kerres problematisiert in seinem Vortrag auf dem E-Learning Netzwerktag der Universität Duisburg-Essen (März 2019) die Konstrukte Digitale Kompetenzen und Medienkompetenz und stellt ihnen das Konzept “Bildung in der digitalen Welt” gegenüber:

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Handlungskompetenz in der Erwachsenenbildung

Michael Kerres diskutiert, wie Anforderungen an Lehrende in der Erwachsenenbildung – für Bildung in einer digitalen Welt – beschrieben werden können:

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Ziel des Vorhabens ist die Entwicklung einer Internet-Plattform (?)

Ausgangspunkt ist die Abrenzung eines Bildungsproblems: Pädagogische Maßnahmen können nur pädagogische Probleme lösen. In der Praxis finden wir nicht selten Lernangebote, bei denen nicht genau benannt worden ist, welches Bildungsproblem diese “eigentlich” lösen wollen. In dem Video erläutert Loyd Rieber warum ein “needs assessment” von grundlegender Bedeutung für die Planung jeden Lernangebotes ist.
Am Ende dieses Kapitels sollten Sie verstehen, warum das “Ziel des Vorhabens nicht die Entwicklung einer Internet-Plattform ist” … Michael Kerres
Was ist das Bildungsproblem?
Die Entwicklung eines didaktischen Konzepts beginnt mit der Identifikation des Bildungsproblems: Sie werden vielleicht überrascht sein über diesen ersten Schritt. In der Praxis wird er oftmals übergangen. Es scheint klar: Wir wollen ein Lernangebot entwickeln und dazu digitale Medien nutzen! Warum sollten wir uns mit der Identifikation des Bildungsproblems beschäftigen?

Die Antwort ist einfach: Lernangebote können nur Bildungsprobleme lösen, keine anderen Probleme. Wenn wir ein Lernangebot entwickeln, aber faktisch kein Bildungsproblem vorliegt, dann wird das Lernangebot nicht erfolgreich sein! So könnte es sein, dass ein Lernangebot entwickelt wird, dass am Ende nicht die erwünschte Effekte mit sich bringt. Das Vorhaben wäre einfach deswegen gescheitert, weil am Beginn versäumt wurde, das Bildungsproblem konsequent zu benennen. Tatsächlich wird in vielen Projekten nicht klar analysiert, ob ein bestimmtes Defizit auf ein Bildungsproblem zurückgeführt werden kann, oder auf andere Faktoren. Es ist in jedem Fall wichtig, sich mit einem Auftraggeber bzw. im Entwicklungsteam zu verständigen, wie das Bildungsproblem beschrieben werden kann.

Wir win uns in schulischen Bildungskontexten bewegen, dann lässt sich die Frage vielleicht einfacher beantworten: So wird man hier auf ein Curriculum und die dort benannten Kompetenzen verweisen. Doch warum wollen wir dise Kompetenzerwartungen mit einem digitalen Lernangebot einlösen, das möglicherweise aufwändig in der Realisierung oder Einführung ist? Welchen Nutzen erhoffen wir uns? Welche ganz konkrete, in der Situation anzutreffende Herausforderung möchten wir adressieren mit dem neu zu entwickelnden Angebot?

Im Kontext der betrieblichen Bildungsarbeit und Personalentwicklung können “Bildungsprobleme” von anderen Herausforderungen überlagert sein: So kann ein ungünstiger Führungsstil eines Vorgesetzten und ein daraus resultierendes Leistungsdefizit einer Abteilung nicht durch Schulungen kompensiert werden. Lernangebote können ungünstige Arbeitsbedingungen nicht aufheben. Deswegen sind die (realistischen) Erwartungen und die Chancen eines digitalen Angebotes zu prüfen.

Die Frage nach dem Bildungsproblem kann sowohl vom Auftraggeber als auch von Mitgliedern des Entwicklungsteams oftmals nicht auf Anhieb beantwortet werden. Die “Identifikation des Bildungsproblems” kann ein durchaus anspruchsvoller Arbeitsschrit sein. Dennoch sollten wir hier zu einer Klärung zu kommen.
Michael Kerres

Bildungsanliegen auf unterschiedlichen Ebenen

Bildungsanliegen identifizieren

Taxonomie

Das Video von Dr. Tanja Adamus erläutert die Lehrzieltaxonomie nach Bloom:

Übung

Im folgenden Quizz werden verschiedenen Lehrziele benannt im Rahmen einer Ausbildung für Metallberufe. Ordnen Sie die Formulierungen der Wissenstaxonomie nach Bloom zu. Dabei soll deutlich werden: Für das didaktische Design wird es einen Unterschied ausmachen, ob die Lernenden eine Prozedur kennen, ausführen oder bewerten sollen!

CNC gesteuerte Hochleistungs-Zyklendrehmaschine

Lehr-Lernzielformulierungen werden zunächst einer Sach-, Sozial- oder Selbstkompetenz zugeordnet, danach den Inhaltsbereichen “Wissen, Fertigkeiten oder Einstellungen”.

Fertigkeiten

Für die didaktische Planung des Lernangebotes ist der Unterschied zwischen Wissen und Fertigkeiten elementar. Denn ein Lernangebot ist anders zu konzipieren, wenn Wissen oder Fertigkeiten vermittelt werden sollen. Michael Kerres

Was ist eine Fertigkeit?

Definition: Fertigkeiten können nur durch wiederholtes Üben erworben werden.

Es ist es wichtig, mit einem reduzierten, einfacheren Setting zu beginnen, und dann die Komplexität zu steigern. Fertigkeiten können NICHT erworben werden in der direkten Konfrontation mit dem “echten” Zielszenario.

    Vorsicht: Bei problembasierten Methoden werden die Lernenden mit einem “komplexen” oder “authentischen” Szenario konfrontiert (und zwar direkt beim Einstieg in ein Lernangebot, also nicht erst zur Anwendung des Wissens!). Die Fertigkeiten, die zur Bewältigung notwendig sind, sollten jedoch in kleineren Einheiten geübt werden. Das 4C-ID Modell von van Merrienboer liefert hierzu Hinweise.

Wissen wird präsentiert – möglichst gut strukturiert und passend zur kognitiven Struktur der Lernenden. Wenn es verstanden wird, kann es angewendet werden. Es können auch mehrere Übungen präsentiert werden, um verschiedene Aspekte, etwa eines Konzeptes, zu vermitteln. Bei Faktenwissen können Techniken des “Memorierens” zur Anwendung kommen. Wissen muss allerdings NICHT “trainiert” werden.


Teinachtal-Touristik / CC BY-SA

Beispiel: Fahrradfahren erlernt das Kind erst mit Hilfen, etwa in dem der Sattel tief gestellt wird, und der Vater das Kind festhält. Wenn die ersten Hürden überstanden sind, wird der Vater das Kind loslassen und mit Abstand folgen etc.

    Dieses Vorgehen entspricht dem Modell des Scaffolding von Wygotski. Es kann sowohl für Wissen wie auch für Fertigkeiten angewendet werden. Dennoch bleiben die strukturellen Unterschiede bei der Planung eines Lernangebotes für Wissen und Fertigkeiten!

Achten Sie auf den Unterschied von “Fertigkeiten” vs. “Wissen, anwenden”. Wenn es sich um eine Kompetenz handelt, die nur durch mehrfach, wiederholtes Üben erworben werden kann, handelt es sich um eine Fertigkeit. Anderfalls gehen wir von einem “Wissen” aus.

Die folgenden Lehrziele sind KEINE Fertigkeiten:

– Die Teilnehmenden sind in der Lage die Prinzipien der Personalentwicklung im Unternehmen hinsichtlich des Reifegrades einzuschätzen -> Es handelt sich um “Wissen, beurteilen”.
– Die Teilnehmenden sind in der Lage, die Optimierungsmöglichkeiten für ihr eigenes Vorgehens zu erkennen. -> Es handelt sich um “Wissen, analysieren”
– Die Teilnehmenden sind in der Lage, Ansatzpunkte für die Umsetzung im eigenen Unternehmen selbstständig zu erkennen. -> Es handelt sich um “Wissen, bewerten”
– Die Teilnehmenden sind in der Lage, moderne Personalinstrumente anzuwenden. -> Es handelt sich um “Wissen, anwenden”

Die präzise Formulierung von Lehr-Lernzielen – als Bestandteil von Kompetenzbeschreibungen – ist in der Mediendidaktik besonders wichtig: Oft arbeiten wir in Teams mit anderen zusammen und müssen uns mit einem Autraggeber abstimmen. Werden am Ende Fehler in der didaktischen Konzeption – etwa falsche Kompetenzbeschreibungen – sichtbar, gehen Veränderungen mit einem hohen Aufwand einher. Deswegen sind die Lehr-Lernziele bei der Konzeption mediengestützter Lernangebote präzise herauszuarbeiten.Michael Kerres

In dem ersten Video erläutert Michael Kerres, warum die Spezifikation von Lehr-Lernzielen beim mediengestützten Lernen eine so wichtige Rolle spielt und stellt verschiedene Sichten auf die Formulierung von Lehr-Lernzielen vor:

In dem nächsten Video erläutert Michael Kerres, wie Lehr-Lernziele ganz konkret formuliert werden:

Bestandteile

Die Formulierung von Lehr-Lernzielen im didaktischen Design sollte folgende Elemente beinhalten:

Ungünstige Formulierungen für Lehr-Lernziele

Warum sind die folgenden Formulierungen für das didaktische Design wenig geeignet?

Lehr-Lernziele “operational” formulieren?

Lehr-Lernziele können unterschiedlich konkret formuliert werden: Auf der einen Seite gibt es die Forderung, Lehr-Lernziele möglichst “operational” zu formulieren, d.h. dass beobachtbare Verhaltensweisen zu benennen sind, an dem sich ein Lernfortschritt erfassen lässt. Eine solche Forderung wird insbesondere von behavioristischen Ansätzen abgeleitet: Die Mechanismen der Verstärkung von Verhalten durch die Umwelt können nur zur Anwendung kommen, wenn das zu erlernende Verhalten auch beobachtet werden kann. Dagegen spricht eine kognitive Auffassung von Lernen: Danach gilt es, kognitive Strukturen aufzubauen, die nicht unbedingt beobachtet werden können. Lernen würde zu kurz greifen, wenn nur beobachtbare Verhaltensänderungen als Zielgrößen formuliert werden.

Im Folgenden finden Sie die zentralen Forderungen, die bei der Formulierung von Lehr-Lernzielen beachten werden sollten:

Lehr-Lernziele richtig formulieren

Die Fomulierung von Lehr-Lernzielen folgt einem bestimmten Muster: Es wird benannt, was eine Person nach dem Lernen / nach Teilnahme an einer Bildungsmaßnahme beherrscht. Woran können wir feststellen, dass die Person eine Kompetenz erworben haben? Wir versuchen das Verhalten zu beschreiben, das eine “kompetente” Person zeigt.