In dem Artikel: Artikel “Against all Odds: Education in Germany Coping with Covid-19” beschreibt Michael Kerres die Herausforderungen im Bildungssektor in Deutschland – angesichts von Covid-19. Er stellt die gute technische Ausstattung im Gesundheitssektor dem “desaströsen Zustand in der digitalen Bildung” (NRW Schulministerin Gebauer, 28.05.2020, im Landtag NRW) gegenüber.
Die Ministerin berichtete im Landtag, dass bereits in einem Drittel der Schulen in NRW E-Mail Adressen für Lehrpersonen eingerichtet werden konnten, und dass geplant sei, in einem nächsten Schritt, auch den Schüler/innen E-Mail Anschriften einzurichten. Ebenso stellte sie das Vorhaben vor, demnächst ein Lernmanagmentsystem auf der Basis von Moodle für Schulen bereitzustellen.
Die Erfahrung der Krise hat die Öffentlichkeit konfrontiert mit der schlechten Ausstattung des Schulsektors und der überraschend geringen Intensität der Nutzung digitaler Medien im Unterricht. Es ist kein anderes Industrieland zu erkennen, das eine derart schlechte Ausstattung und niedrige Nutzungsintensität im Primar- und Sekundarschulsektor aufweist.
Einerseits bleibt festzustellen, dass viele Schulen – auch Ersatzschulen in anderer Trägerschaft – alternative Lösungen gefunden haben, und nicht auf eine Landeslösung gewartet haben. Andererseits bleibt es ein Phänomen, dass ein großes Industrieland, wie Nordrhein-Westfalen, seinen Schulen keine Basisinfrastruktur für die digitale Informationsverarbeitung bereitstellen konnte. Es wäre zu einfach, die Schuld bei der Schulverwaltung der Länder alleine zu suchen. Seit Jahren verfolgen die Landesverwaltungen große Projekte (im zweistelligen Millionenbereich), immer wieder zeigen sich jedoch Hürden und Widerstände: mal scheint es “der Datenschutz”, “der Personalrat”, “die Eltern” usw. Nüchtern betrachtet lässt sich kein einzelner Akteure identifizieren, der für die Entwicklung alleine verantworlich zu machen ist. In Deutschland scheint eine grundlegendere Skepsis vorzuliegen gegen die Digitalisierung in der Bildung, die dann von einzelnen, jeweils unterschiedlichen Akteuren artikuliert wird. Es geht nicht um den Widerstand eines Akteurs, sondern um eine kulturell eingeschriebene Skepsis gegenüber Technik – die allerdings ganz speziell eine Technisierung in Bildungsprozessen betrifft.
Der Beitrag geht deswegen der Frage nach, wie dieser Umstand – die besonders hohe Skepsis gegenüber digitaler Technik in der Bildung in Deutschland – zu erklären ist? Fündig wird er in der Betonung von Privacy, von Datenschutz und Datenvermeidung in Deutschland, die auf – nicht nur vermutete, sondern erlebte – Bedrohungen durch (staatliche) Überwachung (im faschistischen wie kommuninstischen System) in der jüngeren Vergangenheit verweist.
Kerres, Michael (2029). Against All Odds: Education in Germany Coping with Covid-19. Post digital Science and Education, DOI: 10.1007/s42438-020-00130-7.
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